12. Februar 2018 - Badische Zeitung
Schwoof in der Schergass’
Beim närrischen Johrmärkt in Reichenbach, der heute fortgesetzt wird, sind die Narren auf den Beinen.

Die Hoorigel verpassen den Narren die passenden Hüte für die Landesgartenschau. Foto: Wolfgang Beck
LAHR-REICHENBACH. "Wenn in der Schergass‘ Johrmärkt isch", dann steppt in Reichenbach der Bär. So war es am Fasnachtssonntag zwischen Lindenplatz und Spatzennest, wo die Schergässler im 90. Jahr der Dorffasent ein Narrenspektakel entfachten. Hunderte von Besuchern waren aus allen Himmelsrichtungen gekommen, trotzten den Wetterkapriolen mit Schnee und Regen und stürzten sich in das närrische Geschehen auf der Straße, an Buden und Ständen. Am heutigen Rosenmontag geht der Narrenspaß am Schutterstrand in die nächste Runde. In Scharen drängten sich die Narren und solche, die es bis Fasentdienstag noch werden wollen, in der Alten Landstraße in Reichenbach, die im Volksmund Schergass‘ heißt. Sie gab einmal mehr den Rahmen ab für das närrische Spektakel der besonderen Art, das sich in Reichenbach schon seit 90 Jahren abspielt. Damals gab es zwar noch keine Schergässler-Zunft, doch jede Menge Narren, die sich um den Turnvater Karl Klumpp geschart hatten, um die Dorffasent in Reichenbach in Gang zu bringen. Die Initiatoren trafen auf bereitwillige Mitstreiter, damals wie heute: Am Fastnachtssonntag herrschte Ausnahmezustand in Reichenbach. Der Johrmärkt wurde zur großen Showbühne.
Die Offiziellen im blauen Ornat eröffneten zur Mittagsstunde das Narrentreiben, das reich an Höhepunkten war. Ein Fasentprogramm in allen Facetten, das für einen Massenansturm in der Schergasse sorgte: Das Buurequartett, Gaukler, Feuerschlucker, de Hämme alias Helmut Dold, Bauchredner Tobias Gnacke und viele weitere Komödianten sorgten für einen Riesenspaß auf der Bühne und auf der Straße. Streckenweise gab es für die Besucher kein Durchkommen. Dafür sorgten auch die Dorfgruppen der Scharfen Hüpfer, die Allzweckwieber und Zuegloffeni, die mit den Schorlewieber als "Bordsteinschwalben" das bunte Narrenbild bereicherten. Doch auch andere Fasentfiguren sorgten für Hingucker: Die Richebacher Tanzknöpf der Maxi-Ninis inszenierten einen Schwoof-Wettbewerb, bei dem sie mit schwungvollen Tänzen die Promis ganz schön alt aussehen ließen. Im Charleston und mit anderen Hüftschwüngen übten sich Oberbürgermeister Wolfgang G. Müller, Ortsvorsteher Klaus Girstl und Schutterns Kruttstumpe-Urgestein Rüdiger Finner mit Schergässler-Damen auf der großen Bühne beim Nörgler. Was Narretei und Brauchtum zu bieten hatte, war gestern uff dr Gass. Kreative Vielfalt war auf der Straße, in Buden und Ständen der Vereine angesagt: Lange Wartezeiten gab es vor dem "Narrieté" Reichenbach, die sich als kleinste Bühne etablierte und dem närrischen Volk Sketche und Witze am Fließband präsentierte. Ins wahre Fasentleben zurückgeholt wurde das "Spatzennest" der Reichenbacher Spatzen, das sich als Cocktail-Manufaktur entpuppte und "Rares für Bares" am Straßenrand anbot. Salami-Raritäten servierten die Waggili in ihrem Kult-Bähnle, Überraschungen am Herd die Schorlewieber, während die Johrmärkt-Besucher im Guggeloch der Schutterschlurbi im Getränkeausschank die Qual der Wahl hatten. Bis in die Abendstunden steppte der Bär, hielt sich die Stimmung in der Schergass‘, die mit viel Musik, Parodien und Flammenzauber "Fire on Drums" zur großem Showbühne der Narren am Schutterstrand wurde.
Heute, am Rosenmontag, setzen die Schergässler ihr Jubiläumsprogramm mit Kinderumzug, Tanz des Mini-Minis-Nachwuchses auf der Showbühne, Kinder- und Jugendkaraoke, schräger Guggemusik und dem Männerballett aus Sexau fort. Mit dem Schlagersänger Jan Rendels biegen sie heute Abend in die närrische Zielgerade ein. An die Fasentverbrennung, die am Dienstag, mit großem Wehklagen auf dem Lindenplatz stattfindet, will noch kein Narr in Reichenbach ernsthaft denken.
09. Februar 2018 - Lahrer Zeitung
Fantastisch kostümierte Gruppen
Alfons Vögele, 09.02.2018 - 18:24 Uhr

Das Baronspaar und die Schergässler um Oberzunftmeister Thomas Fischer versammelten sich am Narrenbrunnen.
Die Narren haben am "Schmutzigen" die Herrschaft in der Narrenhochburg Reichenbach übernommen. Auch der Nachbarort Kuhbach ist fest in Narrenhand.
Reichenbach/Kuhbach. Auf den Gassen und in den Lokalen begann in Reichenbach das närrische Treiben, das mit dem Besuch der Schergässler zum Auftakt der glückseligen Fasent in den Kindergärten und in der Grundschule seinen Anfang nahm. Kleine und große Narren verfolgten nachmittags das Aufstellen des Narrenbaumes am Lindenplatz zum Zeichen, dass nun die Fasent regiert. Unter den Klängen der Musikkapelle stürmten die Narren am Abend das Rathaus. Ortsvorsteher Klaus Girstl kapitulierte vor der Übermacht und händigte die leere Kasse dem Baronspaar Thomas III. und Stephanie I. aus. Die Narren feierten ihre Amtsübernahme mit Musik, Tanz, feurigen Reden und einem guten Tröpfchen. Oberzunftmeister Thomas Fischer teilte Orden aus an alle, die sich um die Richebacher Fasent verdient gemacht haben. Die Begeisterung setzte sich beim Hemdglunkerumzug zur Schergasse fort. In Nachthemden, mit Saublodere und infernalischen Musikgeräten strömte alles in die Schergass, wie es das Fasentlied besingt. Im "Nörgler", in der "Linde", im "Wachthiisli" und "Kuhstall", in den Buden von Vereinen und Gruppen. Auch im "Nemo" wurde gefeiert. Bis spät in die Nacht tauchten fantastisch kostümierte Gruppen auf, die dem "Schmutzigen" in Reichenbach seit jeher ein besonderes Flair verleihen.
Am Schmutzigen Donnerstag brach sich auch im eher beschaulichen Kuhbach die Fastnacht eine Bahn: Einheimische Narren setzten vor dem Rathaus einen Narrenbaum, der von den "Kuhbacher Kühen" geschmückt worden war. Eine große Hilfe dabei war die Kuhbacher Feuerwehr. Danach erstürmten die Narren die kommunalpolitische Dorfmitte. Offensichtlich wehte der starke närrische Sturm aus dem im Osten gelegenen Reichenbach westwärts. Auf jeden Fall rafften sich die "Kuhbacher Kühe" mit ihrer Leitkuh Sandra und vielen Getreuen auf, den Sturm aufs Rathaus zu wagen. Mit von der Partie waren erfreulicherweise eine große Herde von Ochsen und Stierlein, die den Kuhstall ordentlich auffrischen. Ortsvorsteher Norbert Bühler und seine Ortschaftsräte zeigten wenig Interesse, sich gegen die närrische Übermacht zu stellen. Ohne Gegenwehr rückte der Ortsgewaltige die Ortskasse heraus. So herrschte auf allen Seiten eitel Freude: bei den Narren, dass sie das Zepter über die kommenden tollen Tage führen, beim Rathausschef über die willkommene Pause beim Regieren.
Die Reichenbacher können heute die "Fasentzittung" studieren, die im Dorf angeboten wird. Heimliches und Unheimliches aus dem Dorfgeschehen wird darin nach dem Motto "Schadenfreude ist die reinste Freude" genüsslich ausgebreitet und glossiert. Alle warten gespannt auf den "Schergassen-Jahrmarkt", bei dem am Sonntag und Montag die Richebacher Fasent fröhlich Urständ feiert.
29. Januar 2018 - Badische Zeitung
Narren zünden Klamauk-Raketen
Beim 57. Zunftabend der Schergässler in der Geroldseckerhalle erweist sich Reichenbach einmal mehr als Narrenhochburg.

Mit den „Neuen“ im Waggili-Bähnle nahm das närrische Geschehen so richtig Fahrt auf. Foto: Heidi Fössel
LAHR-REICHENBACH. Die Fasent in Richebach lebt: Das haben die Schergässler am Samstag in der proppenvollen Geroldseckerhalle mit einem fulminanten Non-Stop-Programm beim 57. Zunftabend bewiesen. In der unterhaltsamen Schau mit Blick auf 90 Jahre Dorffasent sorgten die Aktiven am Schutterstrand für ausgelassene Stimmung, Spaß und Heiterkeit. Witzige Parodien, Humor und brillante Satire legten mit raffinierten Show- und Tanzeinlagen die Messlatte hoch. Ganz zum Gefallen des Narrenvolks, das seit Samstag vom Baronspaar Thomas III. (Thomas Wieseke) und Stefanie I. (Stefanie Stuber) regiert wird. Im Beisein zahlreicher Politik-Prominenz entfachten die Schergässler ein närrisches Feuerwerk. "Ja, ja, in Richebach, do wird die schönste Fasent gemacht", drang es mehrfach in den Saal, in dem das Publikum bis weit nach Mitternacht Sitzfleisch bewies. Lachsalven im Minutentank, Frohsinn und gute Laune versprühten die Aktiven im fünfstündigen Non-Stopp-Programm und steckten dabei die mehr als 500 Besucher mit dem närrischen Virus an.
Tuschs der Zunftband Skunks waren nicht zu überhören, Raketen der Begeisterung zündeten Oberzunftmeister Thomas Fischer, Vize Armin Furtwängler und Zunftrat Jens Jägle-Enders, die durchs Programm führten. Donnernder Applaus war zum Auftakt den Mini-Minis sicher, die als tanzender Narrensamen in Bambusröckchen die Gäste in die Südsee entführten (einstudiert von Katja Bohy, Nicole Weinrich-Dold und Michaela Lauer). Eine gelungene Performance lieferten die Maxi-Minis (Nicole Joos/Sabrina Zehnle) ab, die mit 22-fachem Aufgebot das Showprogramm mit einem "Tanz nach der Spieluhr" bereicherten und zeigten, dass den Narren am Schutterstrand auch künftig die tänzerischen Ideen nicht ausgehen. Nicht fehlen durfte der Lahrer Hinkende Bote (Rolf Hügel). Er sparte als Kalendermann nicht mit verbalen Attacken gegen Politik und Zeitgeschehen, warnte vor dem Verfall von Sitte und Anstand und las den Politikern von Jamaika bis zur Groko die Leviten. Mit den "Neuen" nahm das närrische Geschehen weiter Fahrt auf. Kasperle und seine Mitstreiter frotzelten im Waggili-Bähnle. Thomas Fischer, Jürgen Glatz, Beate Maier, Patrick Decker sowie Gerd und Armin Furtwängler nahmen kein Blatt vor den Mund, verpassten den Schwaben so mache Seitenhiebe, die mit wohlklingenden Ohrwürmern und einer Fahrt zur Landesgartenschau ("Sag’s mit Blumen") wieder wettgemacht wurden. Eine erste Zugabe folgte, Vierfachraketen zündeten bei so vielen Gesangs- und Comedy-Qualitäten der "Neuen", die längst alte Bekannte auf der Narrenbühne sind.
Klatsch vom Dorf, bissig verpackt, lieferten die Tratschwieber (Gisela Heitzmann und Christa Reithler). Alle bekamen ihr Fett ab, Zündstoff gab es genug. Den Wiebern blieb auch nicht verborgen, dass der Autor dieser Zeilen dem Narrenbrunnen mit seinem Auto zusetzte, dem "Heiligtum" der Schergässler auf dem Lindenplatz. Dagegen entdeckte Tanja Mühlhaus bei ihrem närrischen Jahresrückblick (Musik Rainer Kammerer) eher eine heilende Wirkung des Narrenbrunnens. Dass Rollatoren am Brunnen zurückbleiben, ist Anlass genug, den Ort in Sankt Reichenbach umzutaufen. Die Grande Dame der Richebacher Fasent, charmante Frohnatur und Eigengewächs vom Schutterstrand, hielt bei ihrem fernsehreifen Auftritt den Spiegel vors Gesicht, redete mit spitzer Zunge und sang sich in die Herzen des Publikums. Ob Möchtegernpolitiker, Jamaikapleite ("Warum hat er jetzt nein gesagt"), Gerhard Schröder ("A Mann für Amore") bis zum Lahrer Rathauschef und der Landesgartenschau – der Rückblick war eine gesangliche Höchstleistung, für die zwei Zugaben gefordert wurden. Kein Problem für Mühlhaus mit ihrer 30-jähriger Bühnenerfahrung, die nach Schergässler-Brauchtumstanz und den Endingern Jokili dr Dolle und dr Dabb (Florian Roßwog/Matthias Glatz) zum Buure-Quartett (Timo Haag/Patric Bohy/Mirko Saal/Daniel Moser/Harry Gyssler) überleitete. Die urbadischen Comedy-Barden, seit 33 Jahren im Geschäft, zogen beim finalen Klamauk alle Register, ließen ihre Ohrwürmer erklingen, die sie mit einer unverwechselbaren komödiantischen Mixture aus Blödelei, Musik und Gesang würzten.