19. Februar 2023 - Lahrer Zeitung

Dorfgruppen glänzen in Reichenbach mit verrückten Ideen

Die „Platzhirsch*innen“ kamen mit Geweih und gute Laune. Foto: Vögele

Das Fasentmotto „Komm und lach in Richebach“ wurde beim großen Umzug am Sonntag einmal mehr mit Leben gefüllt. Denn der Stadtteil zelebrierte mit 48 Gruppen wieder ein närrisches Spektakel erster Güte. Tausende Zuschauer säumten den Umzugsweg und sorgten für eine tolle Kulisse.

Eine große Schar Schergässler eröffnete den närrischen Zug mit den Ehrennarren und dem Baronspaar Christian II. und Nicole III. Die Musikkapellen von Reichenbach, Seelbach und Wittelbach, die Guggemusik Schutterschlurbi und der Musikzug der Feuerwehr Lahr sorgten für eine mitreißende Musik. Zünfte aus der Ortenau und darüber hinaus zeigten die bunte Vielfalt der alemannischen Fasent: Aus Seelbach kamen die Rauhlotzi, aus Kuhbach die Kühe und aus Schuttertal die Daldeifel. Die Ehre gaben sich auch die Riddelschdägge aus Kürzell, die Kruttstumpe und die Gorillas aus Schuttern, die Wiler Mooswaldsiechä und die Wiler Schrätteli vom Hochrhein. Zu sehen waren darüber hinaus die Offenburger Lätsche, die Schreckli aus Suggental, die Ammonshörner aus Lehen und die Wuetiwieber aus Duttlingen. Auch die lustigen Prinzbacher und die Gruppe Jan Hügel mit „Jurassicpark“ aus Altenheim waren angereist.

Das Hexenkontingent umfasste neun schauerliche Gruppen: die Schnaig- und Luciushexen aus Wittelbach, außerdem die Lahrer Hexen, die Laubenhexen und Galgenberghexen aus Lahr. Die Hähnlefeldhexen aus Ettenheim belebten ebenso wie die Balthasarhexen aus Rust, die Steglerhexen aus Offenburg und die Schelmlehexen aus Schutterwald das närrische Treiben.

Das Salz in der Suppe beim Reichenbacher Umzug sind die Dorfgruppen, die sich alljährlich mit viel Hingabe der Fasent widmen. Hier war der TuS Reichenbach zu sehen, außerdem warben die Hofnarren fürs Waldbaden, die Vergesslichen stellten das frischgebraute Kapellezäpfli vor, die Allzweckwieber nahmen die Zeitungsenten ins Visier, während die Übrigbliebenen Altwaren anboten. Helau Hinterdorf kamen als süße Schlotzer, die Lumpenmenscher überraschten als Schneekugeln, während die Scharfen Hüpfer „Ab de Roll“ waren. Die Schorlewiiber präsentierten sich als Hanswurste, die Zämmegwirfelte erschienen als „Platzhirsch*innen“, und die Zuegloffene kamen als Krummschnäbel. Die Schierbaschtler entpuppten sich als Oktopussis, die Schissgasskracher spielten auf die Hundehäufchen in Dorf und Flur an. Und das war noch nicht alles. Denn die Richebacher Bäbberle waren als Disco-Girls unterwegs und bei der Gruppe Schwarzwälder Allerlei musste der Hahn zu Fuß gehen. Die Dorfgruppen mit ihren verrückten Einfällen gaben dem Tross seinen besonderen Reiz. Wie stets von den „Waggili“ betreut, fuhr zu Freude der Kinder das Bähnle als Schlusslicht des bunten Umzugs.

Die Reichenbacher Hauptstraße und der Lindenplatz rund um den Nörgler hatten sich in eine Feiermeile verwandelt. Hier gab es alles, was Herz und Magen begehrten. Noch lange nach dem Umzug feierten die Besucher in und vor den Buden und Klausen, die den Umzugsweg säumten, sowie im Nörgler oder im Wachthiisli. Beim anschließenden fröhlichen Treiben in der Schergasse pressierte es den meisten nicht, so schnell den Heimweg anzutreten.

17. Februar 2023 - Lahrer Zeitung

Baronspaar hat jetzt in Reichenbach das Sagen

Ortsvorsteher Klaus Girstl händigte dem Baronspaar Christian II. und Nicole III. die Gemeindekasse aus. Viel zu holen war nicht. Foto: Vögele

Wie in allen ihren Hochburgen haben die Narren auch in Reichenbach am Schmutzigen Donnerstag die Macht übernommen – mit Narrenbaumstellen und Rathaussturm. Bis Aschermittwoch werden sie dem öffentlichen Leben im Dorf ihren Stempel aufdrücken.

Das Baronspaar zog am Donnerstagvormittag mit seinem Gefolge von Schergässlern in die Schule und in die Kindergärten, um mit den Kindern die Fastnacht zu beginnen. Nachmittags rumorte es gewaltig rund um die Schergasse und den Lindenplatz. Mit Narri und Narro verfolgten Groß und Klein das Aufstellen des Narrenbaums, der zuvor vom Narrensamen geschmückt worden war. Manche hielten den Atem an, bis der Baum sicher aufgepflanzt war. Für ihre Mühe wurden die fleißigen Helfer mit einer kräftigen Narrensuppe gestärkt, die auch den Zuschauern des Spektakels serviert wurde.

Unter den Klängen der Musikkapelle stürmten die Narren am Abend das Rathaus. Ortsvorsteher Klaus Girstl und seine dienstbaren Geister ergaben sich ohne Gegenwehr der Überzahl an Narren. Er händigte dem Baronspaar Christian II. und Nicole III. die gähnend leere Gemeindekasse aus. Oberzunftmeister Thomas Fischer, Zunftmeister Armin Furtwängler und die Zunfträte verteilten die wohlverdienten Orden und alle feierten ausgelassen bei einem guten Tröpfchen den Triumph der Fasent. Mit wohlgesetzten Worten verkündete das Baronspaar den Beginn seiner Herrschaft und versprach dem närrischen Volk eine glückselige Fasent. Nach viel Tamtam setzte sich der Hemdglunkerumzug dann zur Schergasse in Bewegung. In Nachthemden, mit „Saublodere“, Fackeln, Lampions und lärmendem Getöse strömte das närrische Volk der Schergasse zu, wie es das Reichenbacher Fasentlied, das immer wieder begeistert angestimmt wurde, besingt. Im „Nörgler“ präsentierten sich bis spät in die Nacht die fantastischen Gruppen und Nachtwandler. Im Wachthisli, im Kuhstall, bei den Schutterschlurbi und Bänklehockern wurde gefeiert, was das Zeug hielt. Immer wieder tauchten närrische Gruppen in bunter Vielfalt aus der Dunkelheit auf, die dem „Schmutzigen“ in Reichenbach seit jeher ein besonderes Flair verleihen und diese Nacht bekannt machen.

Eine weitere Fastnachtstradition wird sehr gepflegt: Ungeduldig warteten schon am Freitag viele auf die Fasentzittung, die von den Schergässlern zum Kauf angeboten wurde. Sie kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Schon 1950 kam das erste Blättle heraus. So trägt die Fasentzittung nach mehr als 70 Jahren noch immer, getreu ihrem Motto: „Jedem zur Freud, keinem zum Leid“, zum Frohsinn und auch ein wenig zur Schadenfreude bei. Ein beliebter Denksport ist es dabei auch, herauszufinden, um welche Personen es sich dabei handelt, deren Missgeschicke so genüsslich ausgebreitet und glossiert werden. Doch ein närrischer Mensch nimmt das mit Humor, denn nur der ist ein echter Narr, der auch über sich selbst lachen kann.

3. Februar 2023 - Badische Zeitung

Martin Gür aus Reichenbach ist ein Fasentnarr ohne Maske

Martin Gür von der Fasentgruppe "D’Ibrigbliebene" aus Reichenbach rüstet sich für die närrische Kampagne. Seit einem halben Jahrhundert ist er schon ein Narr.

Martin Gür aus Reichenbach von der Fasentgruppe D’Ibrigbliebene.  | Foto: Wolfgang Beck

Martin Gür aus Reichenbach von der Fasentgruppe D’Ibrigbliebene. Foto: Wolfgang Beck

Seit fünf Jahrzehnten ist Martin Gür in der fünften Jahreszeit in Reichenbach unterwegs. Er gehört nicht der Zunft an, macht die Narrenhochburg aber im eigenen Häs unsicher. "Ä bissele Schissdreck mache" ist seine Devise als Alleinunterhalter oder in der Fasentgruppe der "Ibrigbliebenen".

Den Menschen am Straßenrand einen Bären aufbinden, ist seine Spezialität. Der 64-jährige gelernte Zimmermann und Maschinenschlosser freut sich nach der Pandemie wieder auf Auftritte als Fasentnarr. "Ich will eigentlich nicht verraten, was ich beim Fasentumzug mache", sagt Martin Gür, der aber dann doch einige Details verrät. Er habe sich vorgenommen, mit der neun Monate alten Tochter Felina, Ehefrau Sabrina und anderen Gleichgesinnten als "Geduldsfaden-Verkäufer" beim Reichenbacher Umzug am 19. Februar mitzulaufen.

Der Schabernack sitzt dem Reichenbacher Urgewächs der Narretei seit seiner frühen Kindheit im Nacken. Er gehört nicht den "Schergässlern" an, treibt aber in eigener Kluft in der Gruppe der "Ibrigbliebenen" sein Unwesen am Straßenrand oder in anderen Lokalitäten. Seit einem halben Jahrhundert gibt es die Fasentgruppe. Zum Namen sei die Gruppe gekommen, weil sich jeder anschließen könne, ohne selbst einer Gruppe oder Zunft anzugehören, wie er erzählt. Wenn keine neuen Mitglieder nachkommen, geht er im selbstgeschneiderten Häs selbst los und treibt seine Späßchen.

Wenn Gür von seinen Späßen erzählt, dann sprudelt es nur so aus ihm heraus: Das erste Mal sei er 1973 als 14-Jähriger mit seinem Vater dabei gewesen. Er habe geholfen, einen Umzugswagen mit dem Thema "Sieben auf einen Streich" zu bauen. Gemeint waren die Stadtteile, die zu Lahr kamen. Kommunalpolitisch sei es seiner Schilderung zufolge nicht immer zugegangen, aber zeitkritisch allemal. Unvergessen seien seine Auftritte als letzter badischer Fischstäbchen-Verkäufer, sein nicht ganz ernst gemeinter Kampf gegen den Richebacher Schilderwald oder sein Auftritt als Klopapierrollen-Wiederaufwickler gewesen. Noch heute finden sich vor seinem Haus Schilder, die an den Badischen Nachrichtendienst (BND) erinnern, den Gür als "Kuhbacher-Geheim-Bolizei" ins Leben rief. Seine Komik richtet sich an Fasnacht auch gegen den Verkehr auf der B415 oder seine Vorliebe für die Vereine. Er bot sich an Fasent zudem schon für den Schweizer Arbeitsmarkt als Grasnarben-Verdapper oder Rosspfudell-Samenfänger an. Zu Donald Trumps Zeiten war er als "Bäreaufbinder" unterwegs und eröffnete auch schon einmal einen Klappstuhl-Mietservice in der Schergass.

Auch für Kinder hat der Narr einiges übrig: Man sah ihn als Kapitän Blaubär in einem großen Segelboot oder mit seinem Fahrrad bei der Tour de Ländle durch die Straßen ziehen, um allen von seinen Fähigkeiten als Fischstäbchen-Verkäufer zu erzählen. Seine nicht ganz ernst gemeinte Geschichte fand sogar Einzug in die Bad-Mergentheimer-Zeitung, so Gür, während die Fernsehleute vom SWR damals vor der Ausstrahlung dahinter kamen, dass er sich nur einen Spaß erlaubt hatte. Seit einem Jahrzehnt ist Gür auch Mitglied eines Männer-Tanzkreises bei der Frauenfasent in Schweighausen.

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