29. Januar 2018 - Badische Zeitung
Narren zünden Klamauk-Raketen
Beim 57. Zunftabend der Schergässler in der Geroldseckerhalle erweist sich Reichenbach einmal mehr als Narrenhochburg.
Mit den „Neuen“ im Waggili-Bähnle nahm das närrische Geschehen so richtig Fahrt auf. Foto: Heidi Fössel
LAHR-REICHENBACH. Die Fasent in Richebach lebt: Das haben die Schergässler am Samstag in der proppenvollen Geroldseckerhalle mit einem fulminanten Non-Stop-Programm beim 57. Zunftabend bewiesen. In der unterhaltsamen Schau mit Blick auf 90 Jahre Dorffasent sorgten die Aktiven am Schutterstrand für ausgelassene Stimmung, Spaß und Heiterkeit. Witzige Parodien, Humor und brillante Satire legten mit raffinierten Show- und Tanzeinlagen die Messlatte hoch. Ganz zum Gefallen des Narrenvolks, das seit Samstag vom Baronspaar Thomas III. (Thomas Wieseke) und Stefanie I. (Stefanie Stuber) regiert wird. Im Beisein zahlreicher Politik-Prominenz entfachten die Schergässler ein närrisches Feuerwerk. "Ja, ja, in Richebach, do wird die schönste Fasent gemacht", drang es mehrfach in den Saal, in dem das Publikum bis weit nach Mitternacht Sitzfleisch bewies. Lachsalven im Minutentank, Frohsinn und gute Laune versprühten die Aktiven im fünfstündigen Non-Stopp-Programm und steckten dabei die mehr als 500 Besucher mit dem närrischen Virus an.
Tuschs der Zunftband Skunks waren nicht zu überhören, Raketen der Begeisterung zündeten Oberzunftmeister Thomas Fischer, Vize Armin Furtwängler und Zunftrat Jens Jägle-Enders, die durchs Programm führten. Donnernder Applaus war zum Auftakt den Mini-Minis sicher, die als tanzender Narrensamen in Bambusröckchen die Gäste in die Südsee entführten (einstudiert von Katja Bohy, Nicole Weinrich-Dold und Michaela Lauer). Eine gelungene Performance lieferten die Maxi-Minis (Nicole Joos/Sabrina Zehnle) ab, die mit 22-fachem Aufgebot das Showprogramm mit einem "Tanz nach der Spieluhr" bereicherten und zeigten, dass den Narren am Schutterstrand auch künftig die tänzerischen Ideen nicht ausgehen. Nicht fehlen durfte der Lahrer Hinkende Bote (Rolf Hügel). Er sparte als Kalendermann nicht mit verbalen Attacken gegen Politik und Zeitgeschehen, warnte vor dem Verfall von Sitte und Anstand und las den Politikern von Jamaika bis zur Groko die Leviten. Mit den "Neuen" nahm das närrische Geschehen weiter Fahrt auf. Kasperle und seine Mitstreiter frotzelten im Waggili-Bähnle. Thomas Fischer, Jürgen Glatz, Beate Maier, Patrick Decker sowie Gerd und Armin Furtwängler nahmen kein Blatt vor den Mund, verpassten den Schwaben so mache Seitenhiebe, die mit wohlklingenden Ohrwürmern und einer Fahrt zur Landesgartenschau ("Sag’s mit Blumen") wieder wettgemacht wurden. Eine erste Zugabe folgte, Vierfachraketen zündeten bei so vielen Gesangs- und Comedy-Qualitäten der "Neuen", die längst alte Bekannte auf der Narrenbühne sind.
Klatsch vom Dorf, bissig verpackt, lieferten die Tratschwieber (Gisela Heitzmann und Christa Reithler). Alle bekamen ihr Fett ab, Zündstoff gab es genug. Den Wiebern blieb auch nicht verborgen, dass der Autor dieser Zeilen dem Narrenbrunnen mit seinem Auto zusetzte, dem "Heiligtum" der Schergässler auf dem Lindenplatz. Dagegen entdeckte Tanja Mühlhaus bei ihrem närrischen Jahresrückblick (Musik Rainer Kammerer) eher eine heilende Wirkung des Narrenbrunnens. Dass Rollatoren am Brunnen zurückbleiben, ist Anlass genug, den Ort in Sankt Reichenbach umzutaufen. Die Grande Dame der Richebacher Fasent, charmante Frohnatur und Eigengewächs vom Schutterstrand, hielt bei ihrem fernsehreifen Auftritt den Spiegel vors Gesicht, redete mit spitzer Zunge und sang sich in die Herzen des Publikums. Ob Möchtegernpolitiker, Jamaikapleite ("Warum hat er jetzt nein gesagt"), Gerhard Schröder ("A Mann für Amore") bis zum Lahrer Rathauschef und der Landesgartenschau – der Rückblick war eine gesangliche Höchstleistung, für die zwei Zugaben gefordert wurden. Kein Problem für Mühlhaus mit ihrer 30-jähriger Bühnenerfahrung, die nach Schergässler-Brauchtumstanz und den Endingern Jokili dr Dolle und dr Dabb (Florian Roßwog/Matthias Glatz) zum Buure-Quartett (Timo Haag/Patric Bohy/Mirko Saal/Daniel Moser/Harry Gyssler) überleitete. Die urbadischen Comedy-Barden, seit 33 Jahren im Geschäft, zogen beim finalen Klamauk alle Register, ließen ihre Ohrwürmer erklingen, die sie mit einer unverwechselbaren komödiantischen Mixture aus Blödelei, Musik und Gesang würzten.
26. Januar 2018 - Badische Zeitung
Theater auf drei Quadratmetern
MENSCHEN UND MASKEN: Reichenbacher Komödianten bieten Narrieté-Programm auf der kleinsten Bühne in der Schergass.
Das Narrieté-Ensemble bereitet sich für den Bühnenauftritt vor (jeweils von links): Armin Furtwängler, Günter Singler, Norbert Gutheil, Gisela Heitzmann, Beate Maier und Martina Gür. Foto: Wolfgang Beck
LAHR-REICHENBACH. Mit gespielten Witzen und lustigen Sketchen sorgen ein halbes Dutzend Komödianten vom Narrieté-Ensemble der Reichenbacher Fasent beim Schergassen-Jahrmarkt für Spaß und gute Laune. Ihr großer Auftritt auf kleiner Bühne findet am Fastnachtssonntag und Rosenmontag statt. Wo? In der Richebacher Schergass‘, dem Epizentrum des fastnächtlichen Treibens, das 1928 beim ersten Jahrmarkt vor neunzig Jahren seinen Auftakt nahm. So alt wie die Dorffasent sind die Akteure nicht, die auf der Narrieté-Bühne ihre Späßchen treiben. Gestandene Männer und Frauen, ein halbes Dutzend gehört zum engeren Zirkel, nochmals so viele ergänzen das Comedy-Team als Türsteher, Platzanweiser, Vorhang- oder Kulissenschieber. "Wir spielen auf der kleinsten Bühne der Welt", beschreibt Norbert Gutheil das zweitägige Theaterspektakel in der Garage der Schergass‘, das als Narrieté-Programm mittlerweile Kultstatus erlangt hat.
Die drei Männer der ersten Stunde sind Norbert Gutheil, Armin Furtwängler und Günter Singler. In den weiteren 30 Jahren hat der Komödiantenstadl weiteren Zuwachs bekommen. Die ganze Truppe fiebert dem Auftritt auf der Narrenbühne entgegen. Derzeit befindet sich die Narrieté-Gruppe in der heißen Vorbereitungsphase. In zwei Wochen ist es soweit. Vordenker im Ensemble ist Norbert Gutheil. Er erzählt von den Anfängen der Jugendgruppe in der Pfarrgemeinde in Reichenbach, die sich 1989 für die ersten Fasnachtsauftritte formierte. Drei Akteure sind im Jubiläumsjahr immer noch dabei. "Wir feilen noch am Bühnenprogramm", erzählen die Laienspieler mit einem ausgeprägten Hang zu Witz und Blödelei. Nur so viel sei verraten: Witze und Sketche gibt es am Fließband. Die Themen sind so vielfältig wie das Leben selbst. Und: Eine Pointe ist immer dabei. "Im Voraus wird nichts verraten", sagen die Akteure. Etwa eine halbe Stunde dauern die Vorstellungen. Exakt 426 Personen, junge und alte, haben sich das Programm beim letzten Jahrmarkt angesehen. Am Rosenmontag gab es sieben Vorhänge mit 268 Besuchern, rechnet Gutheil vor. Die Hutspende sei "gewaltig" gewesen, sagen die Akteure mit einem Augenzwinkern: im Schnitt 1,05 Euro pro Person.
Norbert Gutheil, heute 57 Jahre alt, hat das Theaterspielen mit der Muttermilch eingesogen. Seine Schauspieltalente stellt der Reichenbacher zuweilen auch auf der Theaterbühne im Pfarrheim Sankt Stephan unter Beweis. Premiere für die drei Männer aus der Jugendgruppe war im "Komödienstadl" 1989, wie damals das närrische Theater in der Schergass‘ hieß. Der Schauplatz war damals wie heute der gleiche: eine Doppelgarage, die einst der Reichenbacher Doktorin Lilli Sasse gehörte. "Seither sind wir vom Theater-Virus befallen", beschreiben die Akteure ihre Lust am närrischen Varieté, das jetzt Narrieté heißt. Weil die drei Initiatoren das Programm nicht alleine stemmen konnten, hielten sie Ausschau nach weiteren Fasnachts-Verrückten. Ein Dutzend Akteure vor, auf und hinter der Bühne stehen dem Ensemble zur Verfügung. Einmal will es vor dem Auftritt noch proben. "Der Rest ist Improvisation", sagen sie.
Die Theaterbühne ist in einer Doppelgarage. Die Requisiten sind gerichtet: Perücken, Polizeiuniformen, Krawatten, Skihosen und vieles mehr. Die Herausforderung: Alle Handlungen spielen sich auf einer Bühne von drei Quadratmetern ab. Der Vorhang geht aus Platzgründen nicht von rechts nach links, sondern von oben nach unten. Das Umziehen passiert auf weiteren drei Quadratmetern. Da kann es schon einmal passieren, dass Akteure im engen Stadl durch die Kulissen fliegen. Eingeübt ist längst auch das Begrüßungslied: "Herzlich Glückwunsch zu dem Entschluss,/der einem jeden kommen muss,/vergessen wir das Leben, das auch so harte,/ herzlichen Glückwunsch zur Eintrittskarte", kennt Gutheil den Text auswendig. Die weiteren Akteure sind Gisela Heitzmann, Beate Maier und Martina Gür. Letztere hat eine steile Karriere hinter sich: von der Türsteherin zum Narrenspieler auf der kleinsten Bühne in der Schergass‘. Anstehen beim Narrenspiel in der Schergass‘ wird vorhergesagt. Nur 60 Personen haben Platz.
15. November 2017 - Badische Zeitung
Blutwurst und Metzelsuppe
Fasentauftakt im Nörgler: Volles Haus beim Schlachtfest der Reichenbacher Schergässler.
Noch ein Schlag Kartoffelbrei und auf dem Teller ist kein Platz mehr frei. Foto: heidi fössel
LAHR-REICHENBACH. Zu Martini verlieren nicht nur zahlreiche Gänse ihr Leben. Traditionell führen die Reichenbacher Schergässler im November eine Sau zur Schlachtbank. Am elften Elften, wenn andernorts die närrischen Tage starten, schreiten die Schergässler in den frühen Morgenstunden zur Tat. Mit vereinten Kräften, und unter der bewährten Regie von Jürgen Wieseke, Achim Meier und weiteren Helfern führten sie im weißen Metzgerkittel eine zweieinhalb Zentner-Sau zur Schlachtbank. Das Objekt der Begierde stammte vom Dorner-Hof in Kippenheimweiler. Dort wurde die Sau zur Strecke gebracht. Auf die deftigen Schlachtessen warteten zur Mittagszeit weit über 150 Hungrige im Zunftlokal Nörgler, in dem zum 15. Mal zum Schlachtessen eingeladen wurde. Etwa 170 Portionen Blut- und Leberwürste samt Kesselfleisch und Metzelsuppe gingen über die Theke, außerdem reichlich Sauerkraut und Kartoffelbrei. Die opulenten Portionen waren im Nu verspeist. Zur Abrundung gab’s badischen Moscht und zünftige Obstwässerle. "Der Auftakt in die fünfte Jahreszeit hätte nicht besser ausfallen können", sagte am Samstag Oberzunftmeister Thomas Fischer, der sich mit seinem Vize Armin Furtwängler darüber freute, dass die Traditionsveranstaltung einmal mehr gut angenommen wurde und der Nörgler proppenvoll war.
Anteil am Gelingen hatten auch Martin Meier, Iris und Peter Bleicher, die nicht müde wurden, großzügig die Teller zu füllen. Wie in den Vorjahren steuerte Peter Bleicher sein Spezialrezept für das Sauerkraut bei, das in der Zusammensetzung auch in der 15. Auflage sein Geheimnis blieb. Geschätzte 170 Schlachtplatten wurden verspeist. "122,5 Kilo Schlachtgewicht", bestätigte Wieseke zur Mittagszeit. "Es schmeckt wieder vorzüglich", hießt es in der geselligen Runde. Dazu gesellt hatten sich auch Nachbarn aus Kuhbach, aus Seelbach, vom Golfclub im Gereut und anderen örtlichen Vereinen. In fröhlicher Runde bestand genügend Zeit, um Pläne für die bevorstehende Kampagne zu schmieden. Nach dem Jubiläum anlässlich des 60-jährigen Bestehens der Schergässler, der Einweihung des Narrenbrunnens auf dem Lindenplatz sowie dem Konvent des Verbandes Oberrheinischer Narrenzünfte (VON) im Oktober richteten die organisierten Narren ihren Blick bereits auf die kommende Kampagne. In der warten zahlreiche Feierlichkeiten auf Einheimische und Besucher: 2018 feiert die Zunft in der Narrenhochburg 90 Jahre Richebacher Dorffasent. Der Jubiläumsumzug startet bereits am Sonntag, 14. Januar mit 3000 Hästrägern und Musikern. Der Zunftabend folgt am 27. Januar in der Geroldseckerhalle. Der zweitägige Schergassen-Jahrmarkt über die eigentliche Fasent am 11. und 12. Februar 2018.