12. November 2018 - Badische Zeitung
Großer Heißhunger im Zunftlokal Nörgler
Eine Drei-Zentner-Sau wurde beim Schlachtessen verarbeitet.
Peter Bleicher sorgte mit Ehefrau Iris dafür, dass auf die Teller richtige Portionen kamen. Hungrig musste niemand aufstehen. Foto: heidi fössel
LAHR-REICHENBACH. Wenn die Narrenzunft der Schergässler zum Schlachtessen ruft, herrscht Hochbetrieb im "Nörgler". So war es auch am Samstag. Kurz nach Mittag wurde die Schlange bei der Essensausgabe länger und länger. Entspannt lehnte sich Oberzunftmeister Thomas Fischer zurück: "Die Schlacht ist geschlagen." Die fast Drei-Zentner-Sau lieferte über 160 Essen für die hungriger Mäuler. Dazu gab es Most und ein Schnäpsle obendrein. Erstmals war der Narrenboss bei der Portionierung der Blut- und Leberwürste dabei. Die erfolgte traditionsgemäß in der Wurstküche von Jürgen und Annerose Wieseke im Messmersgrund. Um sieben Uhr, kurz nachdem das Objekt der Begierde auf die Schlachtbank geführt worden war, hieß es bei den Schergässlern Ärmel hochkrempeln und in die Hände spucken. Das Ritual war das gleiche, wie in den Jahren zuvor: In den frühen Morgenstunden führten die Schergässler eine Sau auf die Schlachtbank von Landwirt Dorner in Kippenheimweiler. Das eingespielte Team mit Jürgen Wieseke und Sohn arbeitete wieder Hand in Hand, um pünktlich zur Mittagszeit die hungrigen Mäuler im "Nörgler" zu stopfen. Vor dem Zunftlokal dampfte am Samstag der Kessel, Rauch zog durch den langen Schornstein.
Als die ersten Gäste kurz nach zwölf Uhr das Zunftlokal betraten, stieg ihnen der unvergleichliche Duft von Kesselfleisch und Metzelsuppe in die Nase. Am Ende wurden 160 Essen ausgegeben, freute sich Oberzunftmeister Thomas Fischer. Neben dem Kesselfleisch durften die Blut- und Leberwürste nicht fehlen, der feine Kartoffelbrei, die schmackhafte Soße und das gut gewürzte Sauerkraut, für dessen Zubereitung Ehrenzunftrat Peter Bleicher mit seiner Frau Iris seit Jahren zuständig ist. "Das schmeckt alles wieder ausgezeichnet", urteilten auch die Ortsvorsteher von Kuhbach und Reichenbach, Norbert Bühler und Klaus Girstl. Keiner wollte am Samstag den opulenten Festschmaus im Zunftlokal verpassen. Nicht fehlen durften die flüssigen Zutaten, die das Essen abrundeten: Ein Glas Moscht und als Verdauerle ein Schnäpsle aus heimischer Ernte gehörten dazu. Im Nu waren die 160 Portionen verspeist. Anschließend bestand in geselliger Runde genügend Zeit, Pläne für die bevorstehende fünfte Jahreszeit zu schmieden, in der es bei den Schergässlern wieder hoch hergehen wird. Vorausgeschaut wurde auf den Zunftabend am 16. Februar in der Geroldseckerhalle, in der laut Auskunft der Schergässler der Vorverkauf für die über 500 Sitzplätze bereits angelaufen ist.
12. Februar 2018 - Badische Zeitung
Schwoof in der Schergass’
Beim närrischen Johrmärkt in Reichenbach, der heute fortgesetzt wird, sind die Narren auf den Beinen.
Die Hoorigel verpassen den Narren die passenden Hüte für die Landesgartenschau. Foto: Wolfgang Beck
LAHR-REICHENBACH. "Wenn in der Schergass‘ Johrmärkt isch", dann steppt in Reichenbach der Bär. So war es am Fasnachtssonntag zwischen Lindenplatz und Spatzennest, wo die Schergässler im 90. Jahr der Dorffasent ein Narrenspektakel entfachten. Hunderte von Besuchern waren aus allen Himmelsrichtungen gekommen, trotzten den Wetterkapriolen mit Schnee und Regen und stürzten sich in das närrische Geschehen auf der Straße, an Buden und Ständen. Am heutigen Rosenmontag geht der Narrenspaß am Schutterstrand in die nächste Runde. In Scharen drängten sich die Narren und solche, die es bis Fasentdienstag noch werden wollen, in der Alten Landstraße in Reichenbach, die im Volksmund Schergass‘ heißt. Sie gab einmal mehr den Rahmen ab für das närrische Spektakel der besonderen Art, das sich in Reichenbach schon seit 90 Jahren abspielt. Damals gab es zwar noch keine Schergässler-Zunft, doch jede Menge Narren, die sich um den Turnvater Karl Klumpp geschart hatten, um die Dorffasent in Reichenbach in Gang zu bringen. Die Initiatoren trafen auf bereitwillige Mitstreiter, damals wie heute: Am Fastnachtssonntag herrschte Ausnahmezustand in Reichenbach. Der Johrmärkt wurde zur großen Showbühne.
Die Offiziellen im blauen Ornat eröffneten zur Mittagsstunde das Narrentreiben, das reich an Höhepunkten war. Ein Fasentprogramm in allen Facetten, das für einen Massenansturm in der Schergasse sorgte: Das Buurequartett, Gaukler, Feuerschlucker, de Hämme alias Helmut Dold, Bauchredner Tobias Gnacke und viele weitere Komödianten sorgten für einen Riesenspaß auf der Bühne und auf der Straße. Streckenweise gab es für die Besucher kein Durchkommen. Dafür sorgten auch die Dorfgruppen der Scharfen Hüpfer, die Allzweckwieber und Zuegloffeni, die mit den Schorlewieber als "Bordsteinschwalben" das bunte Narrenbild bereicherten. Doch auch andere Fasentfiguren sorgten für Hingucker: Die Richebacher Tanzknöpf der Maxi-Ninis inszenierten einen Schwoof-Wettbewerb, bei dem sie mit schwungvollen Tänzen die Promis ganz schön alt aussehen ließen. Im Charleston und mit anderen Hüftschwüngen übten sich Oberbürgermeister Wolfgang G. Müller, Ortsvorsteher Klaus Girstl und Schutterns Kruttstumpe-Urgestein Rüdiger Finner mit Schergässler-Damen auf der großen Bühne beim Nörgler. Was Narretei und Brauchtum zu bieten hatte, war gestern uff dr Gass. Kreative Vielfalt war auf der Straße, in Buden und Ständen der Vereine angesagt: Lange Wartezeiten gab es vor dem "Narrieté" Reichenbach, die sich als kleinste Bühne etablierte und dem närrischen Volk Sketche und Witze am Fließband präsentierte. Ins wahre Fasentleben zurückgeholt wurde das "Spatzennest" der Reichenbacher Spatzen, das sich als Cocktail-Manufaktur entpuppte und "Rares für Bares" am Straßenrand anbot. Salami-Raritäten servierten die Waggili in ihrem Kult-Bähnle, Überraschungen am Herd die Schorlewieber, während die Johrmärkt-Besucher im Guggeloch der Schutterschlurbi im Getränkeausschank die Qual der Wahl hatten. Bis in die Abendstunden steppte der Bär, hielt sich die Stimmung in der Schergass‘, die mit viel Musik, Parodien und Flammenzauber "Fire on Drums" zur großem Showbühne der Narren am Schutterstrand wurde.
Heute, am Rosenmontag, setzen die Schergässler ihr Jubiläumsprogramm mit Kinderumzug, Tanz des Mini-Minis-Nachwuchses auf der Showbühne, Kinder- und Jugendkaraoke, schräger Guggemusik und dem Männerballett aus Sexau fort. Mit dem Schlagersänger Jan Rendels biegen sie heute Abend in die närrische Zielgerade ein. An die Fasentverbrennung, die am Dienstag, mit großem Wehklagen auf dem Lindenplatz stattfindet, will noch kein Narr in Reichenbach ernsthaft denken.