09. Februar 2018 - Lahrer Zeitung
Fantastisch kostümierte Gruppen
Alfons Vögele, 09.02.2018 - 18:24 Uhr

Das Baronspaar und die Schergässler um Oberzunftmeister Thomas Fischer versammelten sich am Narrenbrunnen.
Die Narren haben am "Schmutzigen" die Herrschaft in der Narrenhochburg Reichenbach übernommen. Auch der Nachbarort Kuhbach ist fest in Narrenhand.
Reichenbach/Kuhbach. Auf den Gassen und in den Lokalen begann in Reichenbach das närrische Treiben, das mit dem Besuch der Schergässler zum Auftakt der glückseligen Fasent in den Kindergärten und in der Grundschule seinen Anfang nahm. Kleine und große Narren verfolgten nachmittags das Aufstellen des Narrenbaumes am Lindenplatz zum Zeichen, dass nun die Fasent regiert. Unter den Klängen der Musikkapelle stürmten die Narren am Abend das Rathaus. Ortsvorsteher Klaus Girstl kapitulierte vor der Übermacht und händigte die leere Kasse dem Baronspaar Thomas III. und Stephanie I. aus. Die Narren feierten ihre Amtsübernahme mit Musik, Tanz, feurigen Reden und einem guten Tröpfchen. Oberzunftmeister Thomas Fischer teilte Orden aus an alle, die sich um die Richebacher Fasent verdient gemacht haben. Die Begeisterung setzte sich beim Hemdglunkerumzug zur Schergasse fort. In Nachthemden, mit Saublodere und infernalischen Musikgeräten strömte alles in die Schergass, wie es das Fasentlied besingt. Im "Nörgler", in der "Linde", im "Wachthiisli" und "Kuhstall", in den Buden von Vereinen und Gruppen. Auch im "Nemo" wurde gefeiert. Bis spät in die Nacht tauchten fantastisch kostümierte Gruppen auf, die dem "Schmutzigen" in Reichenbach seit jeher ein besonderes Flair verleihen.
Am Schmutzigen Donnerstag brach sich auch im eher beschaulichen Kuhbach die Fastnacht eine Bahn: Einheimische Narren setzten vor dem Rathaus einen Narrenbaum, der von den "Kuhbacher Kühen" geschmückt worden war. Eine große Hilfe dabei war die Kuhbacher Feuerwehr. Danach erstürmten die Narren die kommunalpolitische Dorfmitte. Offensichtlich wehte der starke närrische Sturm aus dem im Osten gelegenen Reichenbach westwärts. Auf jeden Fall rafften sich die "Kuhbacher Kühe" mit ihrer Leitkuh Sandra und vielen Getreuen auf, den Sturm aufs Rathaus zu wagen. Mit von der Partie waren erfreulicherweise eine große Herde von Ochsen und Stierlein, die den Kuhstall ordentlich auffrischen. Ortsvorsteher Norbert Bühler und seine Ortschaftsräte zeigten wenig Interesse, sich gegen die närrische Übermacht zu stellen. Ohne Gegenwehr rückte der Ortsgewaltige die Ortskasse heraus. So herrschte auf allen Seiten eitel Freude: bei den Narren, dass sie das Zepter über die kommenden tollen Tage führen, beim Rathausschef über die willkommene Pause beim Regieren.
Die Reichenbacher können heute die "Fasentzittung" studieren, die im Dorf angeboten wird. Heimliches und Unheimliches aus dem Dorfgeschehen wird darin nach dem Motto "Schadenfreude ist die reinste Freude" genüsslich ausgebreitet und glossiert. Alle warten gespannt auf den "Schergassen-Jahrmarkt", bei dem am Sonntag und Montag die Richebacher Fasent fröhlich Urständ feiert.
29. Januar 2018 - Badische Zeitung
Narren zünden Klamauk-Raketen
Beim 57. Zunftabend der Schergässler in der Geroldseckerhalle erweist sich Reichenbach einmal mehr als Narrenhochburg.

Mit den „Neuen“ im Waggili-Bähnle nahm das närrische Geschehen so richtig Fahrt auf. Foto: Heidi Fössel
LAHR-REICHENBACH. Die Fasent in Richebach lebt: Das haben die Schergässler am Samstag in der proppenvollen Geroldseckerhalle mit einem fulminanten Non-Stop-Programm beim 57. Zunftabend bewiesen. In der unterhaltsamen Schau mit Blick auf 90 Jahre Dorffasent sorgten die Aktiven am Schutterstrand für ausgelassene Stimmung, Spaß und Heiterkeit. Witzige Parodien, Humor und brillante Satire legten mit raffinierten Show- und Tanzeinlagen die Messlatte hoch. Ganz zum Gefallen des Narrenvolks, das seit Samstag vom Baronspaar Thomas III. (Thomas Wieseke) und Stefanie I. (Stefanie Stuber) regiert wird. Im Beisein zahlreicher Politik-Prominenz entfachten die Schergässler ein närrisches Feuerwerk. "Ja, ja, in Richebach, do wird die schönste Fasent gemacht", drang es mehrfach in den Saal, in dem das Publikum bis weit nach Mitternacht Sitzfleisch bewies. Lachsalven im Minutentank, Frohsinn und gute Laune versprühten die Aktiven im fünfstündigen Non-Stopp-Programm und steckten dabei die mehr als 500 Besucher mit dem närrischen Virus an.
Tuschs der Zunftband Skunks waren nicht zu überhören, Raketen der Begeisterung zündeten Oberzunftmeister Thomas Fischer, Vize Armin Furtwängler und Zunftrat Jens Jägle-Enders, die durchs Programm führten. Donnernder Applaus war zum Auftakt den Mini-Minis sicher, die als tanzender Narrensamen in Bambusröckchen die Gäste in die Südsee entführten (einstudiert von Katja Bohy, Nicole Weinrich-Dold und Michaela Lauer). Eine gelungene Performance lieferten die Maxi-Minis (Nicole Joos/Sabrina Zehnle) ab, die mit 22-fachem Aufgebot das Showprogramm mit einem "Tanz nach der Spieluhr" bereicherten und zeigten, dass den Narren am Schutterstrand auch künftig die tänzerischen Ideen nicht ausgehen. Nicht fehlen durfte der Lahrer Hinkende Bote (Rolf Hügel). Er sparte als Kalendermann nicht mit verbalen Attacken gegen Politik und Zeitgeschehen, warnte vor dem Verfall von Sitte und Anstand und las den Politikern von Jamaika bis zur Groko die Leviten. Mit den "Neuen" nahm das närrische Geschehen weiter Fahrt auf. Kasperle und seine Mitstreiter frotzelten im Waggili-Bähnle. Thomas Fischer, Jürgen Glatz, Beate Maier, Patrick Decker sowie Gerd und Armin Furtwängler nahmen kein Blatt vor den Mund, verpassten den Schwaben so mache Seitenhiebe, die mit wohlklingenden Ohrwürmern und einer Fahrt zur Landesgartenschau ("Sag’s mit Blumen") wieder wettgemacht wurden. Eine erste Zugabe folgte, Vierfachraketen zündeten bei so vielen Gesangs- und Comedy-Qualitäten der "Neuen", die längst alte Bekannte auf der Narrenbühne sind.
Klatsch vom Dorf, bissig verpackt, lieferten die Tratschwieber (Gisela Heitzmann und Christa Reithler). Alle bekamen ihr Fett ab, Zündstoff gab es genug. Den Wiebern blieb auch nicht verborgen, dass der Autor dieser Zeilen dem Narrenbrunnen mit seinem Auto zusetzte, dem "Heiligtum" der Schergässler auf dem Lindenplatz. Dagegen entdeckte Tanja Mühlhaus bei ihrem närrischen Jahresrückblick (Musik Rainer Kammerer) eher eine heilende Wirkung des Narrenbrunnens. Dass Rollatoren am Brunnen zurückbleiben, ist Anlass genug, den Ort in Sankt Reichenbach umzutaufen. Die Grande Dame der Richebacher Fasent, charmante Frohnatur und Eigengewächs vom Schutterstrand, hielt bei ihrem fernsehreifen Auftritt den Spiegel vors Gesicht, redete mit spitzer Zunge und sang sich in die Herzen des Publikums. Ob Möchtegernpolitiker, Jamaikapleite ("Warum hat er jetzt nein gesagt"), Gerhard Schröder ("A Mann für Amore") bis zum Lahrer Rathauschef und der Landesgartenschau – der Rückblick war eine gesangliche Höchstleistung, für die zwei Zugaben gefordert wurden. Kein Problem für Mühlhaus mit ihrer 30-jähriger Bühnenerfahrung, die nach Schergässler-Brauchtumstanz und den Endingern Jokili dr Dolle und dr Dabb (Florian Roßwog/Matthias Glatz) zum Buure-Quartett (Timo Haag/Patric Bohy/Mirko Saal/Daniel Moser/Harry Gyssler) überleitete. Die urbadischen Comedy-Barden, seit 33 Jahren im Geschäft, zogen beim finalen Klamauk alle Register, ließen ihre Ohrwürmer erklingen, die sie mit einer unverwechselbaren komödiantischen Mixture aus Blödelei, Musik und Gesang würzten.
26. Januar 2018 - Badische Zeitung
Theater auf drei Quadratmetern
MENSCHEN UND MASKEN: Reichenbacher Komödianten bieten Narrieté-Programm auf der kleinsten Bühne in der Schergass.

Das Narrieté-Ensemble bereitet sich für den Bühnenauftritt vor (jeweils von links): Armin Furtwängler, Günter Singler, Norbert Gutheil, Gisela Heitzmann, Beate Maier und Martina Gür. Foto: Wolfgang Beck
LAHR-REICHENBACH. Mit gespielten Witzen und lustigen Sketchen sorgen ein halbes Dutzend Komödianten vom Narrieté-Ensemble der Reichenbacher Fasent beim Schergassen-Jahrmarkt für Spaß und gute Laune. Ihr großer Auftritt auf kleiner Bühne findet am Fastnachtssonntag und Rosenmontag statt. Wo? In der Richebacher Schergass‘, dem Epizentrum des fastnächtlichen Treibens, das 1928 beim ersten Jahrmarkt vor neunzig Jahren seinen Auftakt nahm. So alt wie die Dorffasent sind die Akteure nicht, die auf der Narrieté-Bühne ihre Späßchen treiben. Gestandene Männer und Frauen, ein halbes Dutzend gehört zum engeren Zirkel, nochmals so viele ergänzen das Comedy-Team als Türsteher, Platzanweiser, Vorhang- oder Kulissenschieber. "Wir spielen auf der kleinsten Bühne der Welt", beschreibt Norbert Gutheil das zweitägige Theaterspektakel in der Garage der Schergass‘, das als Narrieté-Programm mittlerweile Kultstatus erlangt hat.
Die drei Männer der ersten Stunde sind Norbert Gutheil, Armin Furtwängler und Günter Singler. In den weiteren 30 Jahren hat der Komödiantenstadl weiteren Zuwachs bekommen. Die ganze Truppe fiebert dem Auftritt auf der Narrenbühne entgegen. Derzeit befindet sich die Narrieté-Gruppe in der heißen Vorbereitungsphase. In zwei Wochen ist es soweit. Vordenker im Ensemble ist Norbert Gutheil. Er erzählt von den Anfängen der Jugendgruppe in der Pfarrgemeinde in Reichenbach, die sich 1989 für die ersten Fasnachtsauftritte formierte. Drei Akteure sind im Jubiläumsjahr immer noch dabei. "Wir feilen noch am Bühnenprogramm", erzählen die Laienspieler mit einem ausgeprägten Hang zu Witz und Blödelei. Nur so viel sei verraten: Witze und Sketche gibt es am Fließband. Die Themen sind so vielfältig wie das Leben selbst. Und: Eine Pointe ist immer dabei. "Im Voraus wird nichts verraten", sagen die Akteure. Etwa eine halbe Stunde dauern die Vorstellungen. Exakt 426 Personen, junge und alte, haben sich das Programm beim letzten Jahrmarkt angesehen. Am Rosenmontag gab es sieben Vorhänge mit 268 Besuchern, rechnet Gutheil vor. Die Hutspende sei "gewaltig" gewesen, sagen die Akteure mit einem Augenzwinkern: im Schnitt 1,05 Euro pro Person.
Norbert Gutheil, heute 57 Jahre alt, hat das Theaterspielen mit der Muttermilch eingesogen. Seine Schauspieltalente stellt der Reichenbacher zuweilen auch auf der Theaterbühne im Pfarrheim Sankt Stephan unter Beweis. Premiere für die drei Männer aus der Jugendgruppe war im "Komödienstadl" 1989, wie damals das närrische Theater in der Schergass‘ hieß. Der Schauplatz war damals wie heute der gleiche: eine Doppelgarage, die einst der Reichenbacher Doktorin Lilli Sasse gehörte. "Seither sind wir vom Theater-Virus befallen", beschreiben die Akteure ihre Lust am närrischen Varieté, das jetzt Narrieté heißt. Weil die drei Initiatoren das Programm nicht alleine stemmen konnten, hielten sie Ausschau nach weiteren Fasnachts-Verrückten. Ein Dutzend Akteure vor, auf und hinter der Bühne stehen dem Ensemble zur Verfügung. Einmal will es vor dem Auftritt noch proben. "Der Rest ist Improvisation", sagen sie.
Die Theaterbühne ist in einer Doppelgarage. Die Requisiten sind gerichtet: Perücken, Polizeiuniformen, Krawatten, Skihosen und vieles mehr. Die Herausforderung: Alle Handlungen spielen sich auf einer Bühne von drei Quadratmetern ab. Der Vorhang geht aus Platzgründen nicht von rechts nach links, sondern von oben nach unten. Das Umziehen passiert auf weiteren drei Quadratmetern. Da kann es schon einmal passieren, dass Akteure im engen Stadl durch die Kulissen fliegen. Eingeübt ist längst auch das Begrüßungslied: "Herzlich Glückwunsch zu dem Entschluss,/der einem jeden kommen muss,/vergessen wir das Leben, das auch so harte,/ herzlichen Glückwunsch zur Eintrittskarte", kennt Gutheil den Text auswendig. Die weiteren Akteure sind Gisela Heitzmann, Beate Maier und Martina Gür. Letztere hat eine steile Karriere hinter sich: von der Türsteherin zum Narrenspieler auf der kleinsten Bühne in der Schergass‘. Anstehen beim Narrenspiel in der Schergass‘ wird vorhergesagt. Nur 60 Personen haben Platz.