30. Januar 2012 - Badische Zeitung

Hauch von Schnee begleitet Narren

Gut 3000 Hästräger beim Jubiläumsumzug in Reichenbach

LAHR-REICHENBACH. Mehr als 3000 Hästräger vom Oberrhein und der Ortenau, dem Schwarzwald und von den schwäbischen Hochburgen der Narretei haben gestern dem Jubiläumsumzug der Schergässler in Reichenbach ihren Stempel aufgedrückt: "Winteraustreibung in Reinkultur" könnte das Spektakel am Schutterstrand umschrieben werden, wo rund 4000 Zuschauer am Straßenrand der Zunft zum 55-Jährigen trotz Schneetreibens und nasskalten Bedingungen ihre Referenz erwiesen.

Petrus weinte Schneeregen, was aber der Stimmung in der Narrenhochburg keinen Abbruch tat. In einem nicht enden wollenden Defilee zogen die Hästräger mit den ausgefallensten Larven durch den Ort. Begleitet von Musikkapellen, Fanfarenzügen, Schalmeien und Guggenmusiken sorgten die Vertreter des fastnächtlichen Brauchtums in kleinen und großen Abordnungen für allerhand Spuk entlang der Umzugsstrecke. Zunftmeister Thomas Fischer mit dem Tross der Ordensträger des Verbandes Oberrheinischer Narrenzünfte (VON), in dem der Jubilar seit 1959 organisiert ist, Oberzunftmeister Martin Meier, de Hämme aus Kuhbach und Ortsvorsteher Klaus Girstl ließen es sich von der Ehrentribüne aus nicht nehmen, die Zünfte mit kräftigen Narri-Narro-Rufen zu begrüßen.

Ein Großteil der Vertreter des Brauchtums, der gestern durch Reichenbach marschierte, nahm bereits den Narrenort am Samstag unter seine Fittiche. 500 Narren feierten mit dem Jubilar und Gastgeber beim Hästrägertreffen in der proppenvollen Geroldseckerhalle. Dorthin bewegte sich auch gestern der Lindwurm, der zuvor auf der Reichenbacher Hauptstraße und in der Schergas‘ seinen mehrgliedrigen Schabernack getrieben hatte. Konfetti, Bonbons und auch Federn flogen durch die nasskalte Luft, in der sich die Lörracher Schneewölfe besonders wohl fühlten. Dem Umzug voraus ging ein Empfang im Rathaus mit Ortsvorsteher Klaus Girstl und den Schergässlern, in dem Helmut Dold die Gäste zum Narrentreiben auf Betriebstemperatur brachte.

04. März 2011 - Badische Zeitung

Die fünfte Jahreszeit hat den Höhepunkt erreicht

Eine ganze Narrenhochburg war gestern auf den Beinen.

LAHR (wob). Die Schergässler bestimmen seit gestern das Geschehen am Schutterstrand: Überfallartig haben sie Kindergärten und Schule im benachbarten Seelbach besetzt, den Narrenbaum auf den Lindenplatz in die Höhe gerichtet und die Macht im Rathaus übernommen. Seit dem schmutzigen Dunschdig sitzt der Schergässler, die Symbolfigur der Narretei am Schutterstrand, auf der Spitze des 15 Meter hohen Narrenbaums auf dem Lindenplatz. Mit kräftigen "Hau-Ruck"-Rufen und unter kritischen Blicken von Oberzunftmeister Martin Meier wurde das "Meisterstück gewachsener Baumkultur" in den blauen Himmel gereckt. Vor der schweißtreibenden Aktion unter Anwesenheit jüngster und alter Narren ließen die Schergässler im Ort erkennen, dass die fünfte Jahreszeit unweigerlich ihrem Höhepunkt entgegen geht. Zum Narrenspuk in den Vormittagsstunden hatte bereits der Besuch der Reichenbacher Kindergärten und der Schule in Seelbach gehört. "Die Reichenbacher Schule will uns nicht", sagte ein Schergässler zu seinem Bedauern. Nicht nur die Narren, auch die Reichenbacher Kinder, ihre Erzieherinnen und Eltern hatten ihren Spaß beim gestrigen Rundgang. Mit lautstarkem "Gizzig-Gizzig" waren sie im Ort unterwegs, um beim traditionellen Schnurren den Spendern Süßigkeiten, Würstchen und anderes leckeres Naschwerk zu entlocken. Selbst die Landärzte wie Dr. Himmelsbach und Dr. Langenbacher (mit echtem Titel) blieben von den Kinderattacken nicht verschont.

Am Abend versammelte sich der Narrentross am Lindenplatz, um dem Baronspaar Klaus I. und Sabine III. (Klaus und Sabine Maier) zu huldigen. Die Regenten versprachen in vollblumigen Versen, die Herrschaft am Schutterstrand zu übernehmen. In einer ersten Amtshandlung zog das Baronspaar, verstärkt durch eine Abordnung des Musikvereins und wild entschlossener Hemdglunkern, Buuren und Kuhbacher Kühen in Richtung Rathaus, um die Macht zu übernehmen. Ortsvorsteher Klaus Girstl samt Rathausmannschaft blieb nichts anderes übrig, als Schlüssel und leere Kasse auszuhändigen. Im Rathaussaal blies der Musikverein den Narren den Marsch, und auch das Buurequartett, das sich seit dem Erfolg beim "Närrischen Ohrwurm" im siebten Musikhimmel befindet, hatte nicht nur Kuh Resi dabei, sondern eine ganze Kuhherde aus dem Nachbarort. Vom Rathaus aus setzten sich die Hemdglunker in einem Nachtumzug durch das Dorf in Bewegung, um es anschließend voll unter Kontrolle zu nehmen. Einkehrmöglichkeiten gab es zuhauf, im Kuhstall des Musikvereins, im Wachthiisli der Feuerwehr, bei den Bänklehockern in der Waggilibude und anderen Lokalitäten, die vom närrischen Volk heimgesucht wurden.

29. Januar 2011 - Badische Zeitung

"Es gibt nochmals einen Kracher"

BZ-INTERVIEW mit Gerd Merz, Spatzensänger von Beginn an.

LAHR. Mit dem 50. Zunftabend in der Geschichte der Reichenbacher Fasent eröffnen die Schergässler am 19. Februar die heiße Phase der fünften Jahreszeit. Mit Gerd Merz, Spatzensänger der ersten Stunde, Bänklesänger, Büttenredner und Zeremonienmeister,    hat Wolfgang Beck gesprochen.

BZ: Herr Merz, von wem ging die Idee eines Zunftabends in der Narrenhochburg Reichenbach aus, in der es zuvor nur Schergassenjahrmärkte, Umzüge, Kostüm- und Maskenbälle gab?

Gerd Merz: Von Albert Weiss. Er hat mich nach dem Kinderball 1961 gefragt, ob ich in   einer Gesangsgruppe mitmachen würde. Im Mai 1961 war bei ihm zu Hause die Gründungsversammlung der Reichenbacher Spatzen. Wir suchten weitere Sänger aus und übten für unseren ersten Auftritt am 11.11.1961 im Adlersaal. Unser Spatzen-Schlager damals: "Wir fahren mit der Santa Maria nach Rio und Hawai". Der erste Zunftabend war am 17. Februar 1962 im "Adler".

BZ: Was waren die Höhepunkte im zurückliegenden halben Jahrhundert?

Merz: Ich erinnere mich noch genau an den ersten Zunftabend, als Vogt Ferdi (damals Bürgermeister Ferdinand Müller) mit seinem Elferrat einmarschierte. Dann folgten die Dorfspatzen mit Weiss an der Spitze. Damals wurden die Karten übers Rathaus verkauft. Dort standen Menschenschlangen. 1962 war ein unvergessenes Jahr.

BZ: Inwiefern? Waren in der Kampagne wegen der Flutkatastrophe in Hamburg nicht alle närrischen Veranstaltungen abgesagt worden?

Merz: Nur die Umzüge, der Zunftabend fand statt. Mich schickte Albert Weiss als "Bundesschreiner" in die Bütt. Ich musste hobeln, kitten und leimen, was das Zeug hielt. Als Ehrengast war MdB Fritz Rinderspacher zugegen. Er hatte die Lacher auf seiner Seite, als er ironisch auf die Dorfgeschichte einging.

BZ: 1962 wurde auf Umzüge verzichtet, doch die Spatzen flogen dennoch aus. Wie kam’s?

Merz: Wir sind mit einem Wagen durch den Ort gezogen, haben gesungen und für die Flutopfer in Hamburg gesammelt.

BZ: Blieb man beim Zunftabend dem Konzept die ganzen Jahre über treu?

Merz: Es gab immer wieder Veränderungen: Früher waren wir Parodiensänger, kritisierten lokale Ereignisse. Später kam eine eigene Spatzenshow dazu, die auch auswärts für Furore sorgte. Wir hatten Auftritte in Ettenheim und anderen Narrenstandorten am Oberrhein. Wir stellten Künstler aus Funk und Fernsehen dar und kamen stets gut an. Im Laufe der Jahre kamen immer mehr närrische Figuren, Musik- und Tanzgruppen ins Programm.

BZ: Was ist jetzt in der ausverkauften Geroldseckerhalle geplant?

Merz: Wir Spatzensänger sind Teil eines Blocks, an dem noch andere ehemalige Aktive teilnehmen. Wir sind mit historischen Figuren vertreten. Mehr will ich nicht verraten. Es wird nochmals ein Kracher werden, da bin ich mir sicher.

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